Bernd Tritscher, Bezirksleiter Pinzgau

Akzeptables Risiko, purer Leichtsinn, fahrlässig?

Wo ist die Grenze?

Risiken und Gefahren werden heute vielfach nicht mehr akzeptiert, gehören aber zum Bergsport wie die Freude an der Bewegung und das Naturerlebnis. Hundertprozentige Sicherheit wird es am Berg nie geben.

Für alle Bergsportler, die ins alpine Gelände gehen – alpines Gelände kann auch schon ein gut markierter und ausgebauter Wanderweg sein – sollte daher klar sein, dass dies kein vielleicht auch noch versicherter „Abenteuer- oder Sportpark“ ist. Jeder ist in der Natur für sein Tun und Handeln eigenverantwortlich und weitgehend selbstbestimmend unterwegs. Daher sollte jeder, der Alpinsport betreibt, egal welchen, sich mit den möglichen Gefahren auseinandersetzen und sich den damit verbundenen Risiken auch bewusst sein.

Wer sich bewusst für ein hohes Risiko entscheidet, dieses hohe Risiko also bewusst selbstbestimmt, bestens informiert und eigenverantwortlich eingeht, sich dem Ausmaß  der Gefahr bewusst ist und keine anderen, sondern nur sich selbst gefährdet, handelt nicht fahrlässig. Und dies sollte auch von der Gesellschaft so akzeptiert werden. Sobald ich aber mit meinem Tun und Handeln andere Personen gefährde, ganz egal in welcher Form, muss ich mein Verhalten dieser Situation genauso anpassen – dies gehört genauso zum eigenverantwortlichen, selbstbestimmenden Verhalten.

Restrisiko bleibt
Dies mag plausibel klingen. Doch Unfälle am Berg können die unterschiedlichsten Ursachen haben: Materialversagen, Steinschlag, ausbrechender Felsblock und vieles mehr. Ursachen, die wir nur sehr schwer oder gar nicht vorhersehen können. Das ist das Restrisiko, mit dem wir leben müssen und das wir immer haben werden, egal ob Profibergsteiger oder einfacher Wanderer.

Bei anderen Ursachen wie Selbsteinschätzung, mangelnder Ausbildung, Tourenplanung, Umgang mit der Ausrüstung, die die häufigsten Unfallursachen sind, kann man ansetzen, sich selbst sehr kritisch zu hinterfragen. Hier kann jeder für sich selbst ansetzen. Hier gibt es Kurse, also Ausbildungsmöglichkeiten, wie sie Alpine Vereine oder Bergführer anbieten und die man nur annehmen muss.

Sensationsgier führt zu Vorverurteilungen

Bei Unfällen im Bergsport ist das mediale Interesse oft besonders hoch. Bergsportler sind Risikosportler. „Leichtsinnig“ heißt es oft sehr schnell, wenn Bergunfälle passieren. Zeitungen, Radio, Fernsehen und vor allem soziale Netzwerke sind bei Bergunfällen oft rasch mit Schuldzuweisungen und Vorverurteilungen zur Stelle. Nicht alle Medien sind um seriöse Information und Hintergrundrecherche bemüht. Berichterstattung ist oft das Bedürfnis nach Sensationsgier.

Für Laien und Außenstehende bleibt oft nur die Botschaft, dass sich Leute freiwillig in Extremsituationen oder leichtsinnig in Gefahr begeben und damit nicht nur sich, sondern auch Retter gefährden. Die Gesellschaft hat sich geändert und damit auch die Toleranz gegenüber dem Risiko beim Bergsport.

Auch für uns Bergretter sind gewisse Verhaltensmuster auf den ersten Blick nicht wirklich verständlich und oft schwer nachvollziehbar. Aus dem ersten Blickwinkel und dem Wissen nach einem Unfall ist es oft ganz einfach, die Ursache dafür zu nennen. Hinterher ist man immer klüger.

Keine vorschnellen Schuldzuweisungen
Betrachtet man aber einen vermeintlich leichtsinnig und unverantwortlich herbeigeführten Unfall näher und aus der Position des Betroffenen, betrachtet man seine Vorgehensweise vor dem Unfall, und kennt alle Umstände und Denkweisen, ergibt sich oft ein anderes und verständlicheres Bild, warum ein vermeintlich schöner Tag am Berg in einer Katastrophe endet. Als Bergsteiger und Bergretter kann ich nur allen nahelegen, sich vor allzu schnellen Schlussfolgerungen und Schuldzuweisungen zu hüten.

Aber Unfälle und schwerwiegende Fehler passieren nicht nur Bergsportlern, die keine Ahnung, keine Ausbildung, keine Erfahrung, oder einfach nur Pech hatten, sondern auch den erfahrensten Bergsportlern mit der besten Ausbildung. Aussetzer, Blackout, menschliches Versagen oder wie immer man es nennen will, Fehler und Unfälle, die eigentlich gar nicht passieren dürften, auch diese werden wir nur sehr schwer vermeiden können.

Ein Blackout kann jeden treffen
Und wenn man ehrlich ist: So ein Aussetzer oder Blackout kann und ist wahrscheinlich schon den meisten von uns in irgendeiner Form passiert – meist mit geringen oder keinen ernsthaften Konsequenzen. Daher bin ich als Bergsteiger und Bergretter gegen Schuldzuweisungen – dies ist Sache von Gerichten. Ich bin gegen Vorverurteilungen und unqualifizierten Kommentaren, egal ob in Medien, sozialen Medien, Stammtischen oder sonst wo.

Auch von Überlegungen und Diskussionen über Strafen für vermeintlich unvorsichtige Unfallverursacher in den Bergen halte ich wenig. Verunfallte und Beteiligte sind oft schon durch ihre Situation genug gestraft.

Sensibilisierung zu mehr Eigenverantwortung
Viel wichtiger ist die Sensibilisierung zu mehr Eigenverantwortung und Respekt gegenüber der Natur, zu Prävention, Risiko- und Sicherheitsdenken sowie Ausbildung, wie sie von Alpinen Vereinen, Bergführern und der Bergrettung angeboten wird.

Noch ein Zitat von Winston Churchill: „Ein Experte ist jemand, der hinterher genau sagen kann, warum seine Prognose nicht gestimmt hat.“

Bernd Tritscher, Bezirksleiter Pinzgau