DÜNNE LUFT IN EISIGER HÖHE






Die Expedition des Bergrettungs-Team auf den 7.546m hohen Schneeriesen Muztagh-Ata stand unter schlechten Bedingungen: Während die wechselnden Wetterbedingungen die Radler bei ihrer 650 km langen Anreise per Bike nicht weiter störten, ging es am Berg dann doch ganz schön zur Sache: Tägliche Gewitter mit heftigen Graupelschauern, Schneestürme- dichter Schneefall, hohe Lawinengefahr- keine Sicht – wie wir berichtet haben, mussten die Bergsteiger knapp 300 Meter vor dem Gipfel umkehren.
Mittlerweile sind die Teilnehmer an der Expedition wieder in die Heimat zurückgekehrt und schildern uns ihre letzten Stunden im Banne des Eisriesen: „Das Wetter machte uns schwer zu schaffen“, erzählt der St. Johanner Sepp Schiefer. „Wir kamen sehr mühsam, aber doch gut voran und spurten bei heftigen Windböen durch knietiefen Neuschnee mittels GPS Orientierung auf 7.217m. Mal hatten wir einige Meter Sicht, dann wieder standen wir im völligen „White-Out“ vor weit klaffenden riesigen Gletscherspalten. Noch 80 Höhenmeter – dann würde das Gelände ja wieder flacher, spaltenärmer und der Höhensturm hatte sicher den Neuschnee vom Plateau gefegt- sagten wir uns! Doch zuvor mussten wir über den 30 Grad steilen Hang, den es anzuspuren galt“.
“Buam kemmts a ondas moi”
Diese 30 Grad Hangneigung und die eisige Gletscheroberfläche des Muztagh-Ata waren allerdings auch der perfekte Gleithorizont für den vielen Neuschnee. Das war der Zeitpunkt, an dem die Bergsteiger beschlossen, ihren Aufstieg sofort abzubrechen. „Schade auch“, meint Schiefer, denn: „Mein Bergkamerad Rupert Meikl schien an diesem Tag alle Kraft der Welt in seinen Beinen zu tragen und war „beflügelt“ vom Gedanken dem „Vater der Eisberge“ einen Besuch abzustatten. Im Sturmgeflüster säuselte aber eine eisige väterliche Stimme- „Buam kemmts a ondas moi!“
Hilfe für komplett erschöpfte Polen
Die zwei Pongauer Bergsteiger und der Saalfeldener Paul Schnaitl kehrten wieder auf 6.800m, ins Lager 3, zurück. Im 3er Lager warteten auch die beiden Polen, die am Vorabend gegen 22 Uhr abends plötzlich an unser Zelt klopften.
„Die beiden waren körperlich völlig erschöpft – die Frau am Ende“, schildert Schiefer. „Wir haben ihnen Tee und am nächsten Morgen ein Frühstück gegeben. Die beiden waren mit Schneeschuhen unterwegs sind erst sehr spät in einem für wenige Stunden dauernden Schönwetterfenster zur Gipfeletappe gestartet. Unterwegs bekamen sie bereits im Aufstieg in 7200m Orientierungsprobleme und irrten bis spät in die Nacht umher. Tags darauf packten die beiden mit uns ihre Ausrüstung zusammen und wollten unseren Skispuren ins nächste, tiefer gelegene Lager folgen. Wie wir später erfuhren, haben sie das aber nicht gemacht – eben weil sie körperlich komplett am Ende waren“.
Die beiden blieben noch eine Nacht im Lager 3, was ihre vierte Nacht am Rande der Todeszone war.
Am Rande der “Todeszone”
„Todeszone“: „Dieser Begriff hat beim Expeditionsbergsteigen seinen fixen Platz und bezeichnet den Aufenthalt in Höhen oberhalb von 7000 Metern“, erklärt Schiefer Sepp. Das ist die ungefähre Grenze, oberhalb der auch ein optimal akklimatisierter Mensch auch ohne weitere körperliche Anstrengungen nicht mehr regenerieren kann. Der Körper baut unweigerlich ab, mehr oder minder schnell, sodass ein dauerhafter Aufenthalt unmöglich ist.
Nachdem die zwei Polen nicht im Basecamp ankamen, beschlossen die Bergsteiger, den Polen zu helfen. „Ich bin dem Paar entgegen gegangen“, meint der Saalfeldener Bergführer und Ausbilder bei der Bergrettung, Klaus Wagenbichler. „Die Frau war komplett am Ende ihrer Kräfte. Sie konnte sich kaum mehr aufrecht halten und kam nur langsam, Schritt für Schritt, voran. Trotzdem konnten wir das Basecamp schließlich sicher erreichen“.
Obwohl das Expeditionsteam bei der Anreise zum Muztagh-Ata bereits mehr als 650km per Mountainbike zurückgelegt hatte, beschlossen die Bergsteiger auch noch den Rest der Reise mit Biken abzuschließen. Vergangenen Sonntag kehrten sie schließlich – knapp gescheitert, aber dafür wohlauf – in die Heimat zurück.
Bergsteigen ist Lebensart
„Die instabile Wettersituation ließ auch viele Bergsteiger an den umliegenden 7000er Gipfeln wie Pik Lenin, Kommunismus, Pik Pobeda und auch im Himalaja nicht in die obersten Regionen vorstoßen“, so der Bergführer und Bergretter Sepp Schiefer. „Auf den hohen Bergen gibt es keine Gipfelgarantie- man ist unterwegs am Berg! In die Berge sollte man nicht wie auf den Golf-, oder den Tennisplatz gehen. Bergsteigen ist kein Spiel – Bergsteigen ist Lebensart! Angst machen mir die vielen Rekorde- und Leistungshetzer und „Bergsteiger“ mit Startnummern!“
Foto: Sepp Schiefer
Bericht: Maria Riedler/Pongauer und Pinzgauer Nachrichten